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[Soundtrack zum Text: ->
Hier klixen]
Vorwort
Jeder Autor, der auf sich hält, muss heutzutage eine Webseite haben. Da müssen dann bestimmte Sachen stehen. Geboren (aus der Not eine Tugend machend), Lebenslauf (oh ah, jene Stipendien in Yale, Montpellier und Kötzschenbroda, jene Stunden in Hemingways und Kafkas und Grass' Schreibzimmern zu Füßen der Dichterfürsten), Bekanntschaften (natürlich Hemingway, Kafka, Bohlen, Konsalik, Grass usf.), erreichte Ziele (Glanz und Triumphe bitteschön, also Lorbeeren, Literaturhäuser, Büchnerpreis, Grimmepreis, Otterndorfer Salzgurkenpreis, Fuß- und Händeschütteleien mit Dichterfürsten und Vorsitzenden von Literaturhäusern und Otterndorfer Salzgurkenprinzessinnen und sowas).
Justement solches möge auf der Webseite stehen. Was jedoch, Falls man derlei im Leben nicht hat, nicht haben kann und es auch in sieben Leben nicht könnenhaben wird? Falls das Leben halt schlicht und mittelgrau und auf Pump und zur Miete ist, wenn man sich kaum einen gebrauchten Konsalik auf Abzahlung leisten kann? Dann muss man das klein bisschen Wellblech, das da ist, skrupellos kapern und es so lang anhübschen, bis es vielleicht Neusilber wird, es noch mehr aufbrezeln, es dann zu echtem Altsilber mit fast echter Patina hochbauschen und es endlich mit Epitheta, Lametta, Pailletten, Schmonzetten und Roccaillen ebenso katzengolden wie unbezweifelbar machen, und man muss mindestens echte Otterndorfer Salzgurkenprinzessinnen erfinden - weil es die ja
gibt.
Man denkt nach, ob nichts war. Man grübelt, ob nicht doch was war. Dann fällt der Groschen. Dermaleinst waren doch diese (wie hießen die doch gleich?), ja diese öhmm
Bürgermeister-Smidt-Lesetage einst in Bremerhaven-Schiffdorf, wohin man eine erstaunliche VIP-Backstage-Einladung erhalten hatte (es handelte sich jedoch um eine schnöde Namensverwechslung). Wo man dann hinfuhr, um notgedrungen wegen des Orts und des Themas diese gewissen drei halbdüsteren,
hanebüchenen und überhaupt viel zu
konzeptbefrachteten Seestücke "Tango aufm Torpedorohr", "Teitelbaums Taifun" und "Tobsucht auf Todesflut" verlas, auf Applaus lauschend und
sehnsüchtiger lauschend. Und wo man sich späterhin in Bremerhavener Schwermut und ganz alleine in Nacht und Nebel am Grogverschnitt ohne Zucker (weil, 's gab da halt außer Dorschfrikadellen nix anners) sinnlos betrank.
Es darf aber nicht gewesen sein, was nicht gewesen sein darf. Deshalb möge
just und eben diese längst von allen gnädig vergessene Veranstaltung bitteschön auf der Homepage als *öhm* avantgardistisches maritimes Ultrahighlight umdeklariert werden, man mache daraus *naja*
den wichtigsten und letzten Schrei zwischen Underdog-, Höchst- und Sturmflutliteratur,
den schlechthinnigst avanciertesten neo-Tachismus jenseits von Eden,
das supersensationsschwangere Weser-Hudson-mega-Event von eurasisch-ozeanischer Sprengkraft,
die unfassbarst exaltierteste Inauguration des Weddewarden-Brooklyner Atomkubismus, usf. Naturgemäß. Und überhaupt.
Und dass man vor elfeinhalb Jahren mal als öhm beratender Leiter zu einem der führendsten sachsen-anhaltinischen bzw. vorarlbergschen interdisziplinären Literatursymposia in Schkeuditz oder Mürzzuschlag bestellt war, wo man erschöpfend und erschreckend über die Standortbestimmung der aktuell erwachenden Nationalliteratur des Heimatackers im Lichte der Morgenröte des Warpzeitalters referiert hat, volle Kanne koryphäesk, gesamtglobale Ausrufezeichen setzend oder zumindest setzen wollend bzw. drauf und dran und auf und davon gewesen seiend, naturgemäß usf., das muss wahrheits- und naturgemäß erwähnt werden, so als hätte es gestern in der ZEIT gestanden.
Oder gar jener schüchterne Poetry-Slam in Brüxberg-Brockenheim 1994, bei dem man irgendwie rein blindzufällig anwesend gewesen war. Damals in grauser Vorzeit. Als bekanntlich noch überhaupt kein Mensch außer allenfalls Rollins und Warhol und Wilhelm Busch wusste, was so ein Poetry-Slam überhaupt sey, oder wieso man so was machen sollte. Der deshalb wegen
Uranfang & Primordialität jetzt retrotechnisch als unfassbar metro und irrsinnig camp und absolut kometenhaft epochal gilt,
als ungeheuerlich eilend seinem Zeitstrang vorausrasend, als hyperfresh gestylt und extrem abgespaced und völlig jenseits von gruvi. Und auf dem man dann
den M.C. Troy traf. Eben den M.C. Troy, ja den aus Speckenbüttel und Brooklyn (naturgemäß), der eigentlich Kalle Wadenborst heißt. Der nach seinem
künstlerisch bedingten Aus heute ein Anglerbedarfsgeschäft in Fischbek
(bei Buttforde) besitzt. Und das verrät man dann.
...
...
- Naturgemäß und nachgerade hat ein Autor, der so auf sich hält, von Pennerjahren, Ideenlosigkeit, Miesen auf dem Konto, unglücklichen Lieben, Schreib- und Schreikrampf, Daddeleien, noch mehr Miesen auf mehr Konten, unglücklichen Lieben, nichtendenwollenden Miesen, noch mehr unglücklichen Lieben usf. und von dem verschlingenden Abyssus der zornig und zähnig zehrenden Zeiten eisern zu schweigen. Von vergossenen Jahren, verdunstetem Glücke, vergeudeter Jugend, entschwundenen Sternenaugen der nie geküssten Liebsten, von freudlos grindigem Alter, von ungelüfteten Hosen, von vergeblicher Quest, von mäßigen Tantalusqualen als Urlaub von unmäßigen, von unbezahlten Stopfgarnrechnungen, von manchen Fernsehverkaufsshowgewohnheiten, von innerem und äußerem Ungeduschtsein, von finalem Tatterich und von leerem, ja gar keinem Kühlschrank darf da beileibe nichts hingeschrieben stehen.
Beileibe geschrieben stehen muss aber, was man ist - man sei jedoch bitte nur etwas gängig Unbefremdliches wie Journalist, Werbegrafiker oder Germanist.
Falls man jedoch durch Laune, Missgeschick oder bösen Willen leider etwas Ausgefalleneres geworden ist wie etwa Neuroholistiker, Georheumatiker, Alkologiker, Theotourist, angewandter Heurist, Zaddikologe, Furunkulosiker oder Archäognom, sollte man tunlichst davon schweigen.
...
(Übrigens:
- Man hat mir 2008 den Hamburger Förderpreis für Literatur
verliehen. Das ist schön.
- Und für 2011 bin ich
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Stipendiat
im
Künstlerhaus Lauenburg/Elbe, sehr schön.
- Und ich bin Preisträger eines seltsamen "premio nazionale di letteratura" von 1999 aus einem antikisch klingenden Ort in Kalabrien, der auf Landkarten kaum oder fast gar nicht zu finden ist. Echt jetzt. Prämiert wurden vier lateinische Gedichte. Dochdoch. Warum glauben Sie mir das nicht?)
Nachwort
Nein nein, auf dieser Webseite werden keine Zweifelsucht, kein Nihilismus und auch keine Albernheiten betrieben. Das ist alles ernst und seriös gemeint. Ein Autor will ja seine Sachen unter die Leute bringen. Zufällig bin ich ein Autor. Und die Leute sind Sie. Also lesen Sie bitte wohlwollend weiter. Denn Sie sollen ja vielleicht mal Sachen von mir hören, lesen oder besser kaufen wollen, und Sie sollen glauben, dass Sie das wollen.
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